Reisewitz´scher Garten



Ehemalige Besitzer
und Bewohner des Grundstücks

Magdalena Sibylla
von Neitschütz

Ludwig Siegfried Graf Vitzthum von Eckstädt

Auguste Charlotte Gräfin von Kielmannsegge


Werbedeckel und Tafel der Brauerei Reisewitz


Die frühe Geschichte des Grundstücks, gelegen zwischen Weißeritz und der heutigen Tharandter Straße, Würzburger Straße und Altplauen, liegt weitgehend im Dunkeln. Vermutlich gab es an dieser Stelle zum Ausgang des Mittelalters ein Vorwerk, welches von Mühlenbesitzern erworben und gärtnerisch gestaltet wurde. 1547 bzw. 1549 hatten die alteingesessenen Plauener Matthes und Donat Moses hier zwei Mühlen gekauft, welche jedoch mit Einführung des Mahlzwangs der Plauener Hofmühle 1571 ihre Bedeutung verloren. Nachdem Verhandlungen über einen Verkauf der Grundstücke bzw. eine Entschädigung durch Kurfürst August gescheitert waren, überließ man den beiden Brüdern 1573 die Ober- und Untermühle in Tharandt.

Das durch den Verlust des Mahlrechts entbehrlich gewordene Grundstück verkaufte Matthes Moses 1591 an seinen Sohn, dessen Familie es noch bis 1635 in ihrem Besitz behielt. Bereits auf einer Karte aus diesem Jahr ist zwischen Weißeritz und der heutigen Tharandter Straße eine parkartige Anlage mit Laubengängen und zwei Lusthäusern erkennbar. Hinzu kamen ein Obst- und Weingarten sowie ein Kräutergärtchen. Am 23. April 1635 verkauften die Erben das Areal an den kurfürstlichen Rent- und Steuersekretär Kaspar Christiani. 1659 erwarb der Dresdner Stadtsyndikus Georg Börner das Anwesen im Rahmen einer Versteigerung für 250 Fl. und erweiterte die Fläche durch Zukauf benachbarter Grundstücke. Gemeinsam mit seinem Sohn ließ er seltene Gehölze anpflanzen, Statuen aufstellen und das Areal nach zeitgenössischen Beschreibungen zu einem der schönsten Gärten Dresdens machen (Bild von J. C. A. Richter).

1692 kaufte Kurfürst Johann Georg IV. das Grundstück an der Weißeritz. Der Kaufpreis betrug 8000 Taler und beinhaltete neben dem Grundstück auch das gesamte Mobiliar sowie die Bestände an Korn und Mehl "als zur Brödtung biß zu der Erndte vonnöthen", wie es im Kaufvertrag vom 20. Juli 1692 hieß. Hier ließ er für seine Geliebte Magdalena Sibylla von Neitschütz ein Wasserpalais errichten und den vorhandenen Garten neu gestalten. Erstmals in Dresden wurden hier holländische Tulpen angepflanzt, aber auch Zitronen-, Feigen- und Lorbeerbäume. Hinzu kamen weitere Statuen und Pflanzschalen sowie drei "perspektivische Ansichten", auf Leinwand gemalte Landschaftsszenen. Da Sybilla von Neitschütz auf Betreiben des Kurfürsten 1693 von Kaiser Leopold I. zur Reichsgräfin von Rochlitz ernannt worden war, bezeichnete man das Areal nun als "Rochlitz`scher Garten".


"Von Gottes Gnaden etc. Vor Unß, Unsere Erben und Nachkommen, thun Kund und bekennen männiglich, daß Wir Unserer lieben besondern Fräul. Magdalenen Sybillen von Neitzschitz daß Von Unsern Hoff auch Ober consistorial Rathe Johann George Börnern, unlengst erkauffte Gutt, sambt dem Von ihme angerichteten Garthen zu Plauen, mit allen Zubehörungen, Nutzungen, Freyheiten, iedoch diese ohne gewehr, Wie auf Beschwehrungen, Innhalts des darüber untern Dato, den 12. hujus aufgerichteten, auch Von Unß den 18. darauff gnädigst approbirten und ratificirten Kauff Conracts, auch Wie Wir solch Gutt und Garthen, sambt denen darbey vorhandenen Statuen Frembden und andern Gewächßen, auch Völligen Inventario hierauff von ihme übernehmen laßen."

Aus der Kaufurkunde vom 20. Juli 1692

Wenig später erkrankte Sibylla und verstarb am 4. April 1694 an den Blattern. Ihr Geliebter blieb ihr bis zum Tod treu, steckte sich an und starb nur wenige Tage später, wodurch Johann Georgs Bruder, August der Starke, an die Macht kam. August ließ das Areal daraufhin von der kurfürstlichen Kammer wieder einziehen und verkaufte es wenig später an den Oberkämmerer und geheimen Kriegsrat August von Haxthausen. In dieser Zeit ist erstmals eine Schänke auf dem Grundstück erwähnt. Nach Haxthausens Tod erwarb am 16. Juli 1696 Kammerherr August Edler von der Planitz das Areal, der es zwei Jahre später an seine Frau Henriette Sibylle veräußerte.

1702 erwarb der kurfürstliche Bergdirektor Johann Wladislaus von Reisewitz das Areal, besaß es jedoch nur bis 1709. Nach diesem Besitzer erhielt der Garten seinen Namen Reisewitz´scher Garten, der sich heute noch in der Reisewitzer Straße erhalten hat. Reisewitz ließ die bei einem Weißeritzhochwasser 1704 entstandenen Schäden beseitigen und vergrößerte das Vorwerk durch den Zukauf zweier Äcker, blieb ansonsten für die Entwicklung des Grundstücks aber eher unbedeutend. Nach seinem Tod mussten die Nachkommen Konkurs anmelden und den Garten verkaufen. Ein Teil wurde 1713 an den Plauener Lehrer Kretzschmar veräußert, das Vorwerk selbst kam im Rahmen einer Versteigerung vier Jahre später für 3.050 Taler in den Besitz des Kanzleibeamten Georg Gottfried Viol.

Übersichtsplan des Reisewitzschen Gartens um 1750

1719 bis 1724 hatte hier die kurfürstliche Falknerei ihren Sitz, die sich zuvor am Poppitz in der Nähe der Annenkirche befunden hatte. Für die Abtretung seines Besitzes erhielt Viol 5000 Taler. Am 17. Juli 1719 übernahm die kurfürstliche Kammer das Vorwerk Reisewitz und richtete hier die von August dem Starken gewünschte neue Falknerei ein. Zur besseren Erschließung entstand ein neuer Steg über die Weißeritz. Nach der Verlegung der Falknerei in die Nähe von Großenhain schenkte August der Starke das Grundstück 1727 seinem Akziserat Christian Friedrich Starcke mit allen Feldern, Wiesen, Gebäuden und dem Schankrecht. Starcke ließ die Gartenanlage schrittweise wieder herstellen, legte neue Wege und Alleen an und eröffnete am 15. September 1729 ein Ballhaus für Vergnügungsveranstaltungen. 1731 weilte August der Starke mehrere Tage auf dem Grundstück.

1745 übernachtete Preußenkönig Friedrich der Große nach der Schlacht bei Kesselsdorf im Parkgelände.1757 ging das Areal nach dem Tod Starckes testamentarisch an seinen Geheimsekretär Zacharias Grundig über. Während des Siebenjährigen Krieges wurden die vorhandenen Gebäude von preußischen und österreichischen Soldaten geplündert und demoliert. Wiederholt hatte Grundig in diesen Jahren Einquartierungen erdulden müssen, und gab den entstandenen Schaden später auf 8.000 Taler an. Eine ausgehandelte Steuerbefreiung ermöglichte ihm die schrittweise Wiederherstellung des Grundstücks. 1765/66 besuchten ihn mehrfach Angehörige des Hofes, so der spätere Kurfürst Friedrich August der Gerechte, Landesadministrator Prinz Xaver und andere Prinzen und Prinzessinnen. Trotz aller Bemühungen gelang es ihm jedoch nicht, das Vorwerk Reisewitz wieder zu alter Blüte zurückzuführen und so entschied er sich, es 1770 an den Oberkammerherrn Ludwig Siegfried Graf Vitzthum von Eckstädt zu verkaufen. Dieser nutzte seinen neuen Besitz jedoch nur selten, sondern vermietete das Palais in den Sommermonaten an wohlhabende Dresdner Familien. 1778, ein Jahr nach Eckstädts Tod, übernachtete der Bruder des preußischen Königs, Prinz Heinrich vom 8. bis zum 18. Juli auf Reisewitz (Bild um 1780).

Der Vormund der noch minderjährigen Kinder des Grafen entschied sich, das Vorwerk mit sämtlichem Mobiliar und Zubehör für 12.000 Taler an Henning von Rumohr, Vater des bekannten Kunstexperten Karl Friedrich von Rumohr, zu verkaufen. Der entsprechende Vertrag wurde am 7. September 1781 unterzeichnet. Bereits ein dreiviertel Jahr später erfolgte der nächste Besitzerwechsel an Frau Geheimrätin von Schlauroth. 1787 erwarb der sächsische Kammerherr Karl Friedrich von Berlepsch das Grundstück, dem 1796 der Kabinettsmister Graf von Bose folgte, 1810 Moritz Levin Friedrich Graf von der Schulenburg. Größere Veränderungen gab es trotz dieser häufigen Eigentümerwechsel jedoch nicht.

Auch in der Napoleonzeit stand der Reisewitz´sche Garten im Blickpunkt der Militärs. Zeitweise befand sich hier ein Lazarett für verwundete französische Soldaten. Der französische General Reynier richtete 1813 im Gartenschlösschen sein Stabsquartier ein. Wenig später gingen die Bauwerke bei Kampfhandlungen in Flammen auf.

Trotz der Verwüstungen und Dank des neuen Besitzers des Grundstücks, dem Dresdner Bäckermeister August Bunke, blieb die parkartige Anlage wegen ihres Baumbestandes und der romantischen Laubengänge am Flussufer ein beliebtes Ausflugsziel der Dresdner Bevölkerung (Bild: Zeichnung von Anton Balzer um 1800). Bunke ließ die zerstörten Gebäude und den Park wieder herstellen. Zwischen 1844 und 1854 existierte ein Sommertheater, eines der ersten kommerziellen bürgerlichen Theater der Stadt. Das Hauptgebäude entstand 1844 und wurde 1850 erneuert. Hinzu kam eine Bühne für Freilichtaufführungen. Die erste Vorstellung fand am 27. Mai 1844 statt.

Direktor war später der auch an anderen Orten in Dresden aktive Theaterunternehmer Nesmüller. Zwischen Mai und Oktober wurden hier durch wandernde Theatergruppen Gesangspossen, Schwänke, Operetten und Opern aufgeführt. Zu den Höhepunkten gehörte u.a. eine Aufführung von Webers "Freischütz". Außerdem gab es auf dem Grundstück die Gastwirtschaft "Starckes Garten", die auch als politischer Versammlungsort von Bedeutung war. Am 4. September 1848 fand hier die erste große Massenveranstaltung der Dresdner Demokraten im Vorfeld der Bürgerlich-demokratischen Revolution statt. Häufiger waren verschiedenste Volksfeste und Konzerte, aber auch Auftritte von Schaustellern und professionellen "Feuerwerkern" wie der Magdeburgerin Albertine Emilie Rennebarth, die am 18. September 1871 einen Auftritt im Reisewitzschen Garten hatte. Während des preußisch-österreichischen Krieges 1866 legten preußische Soldaten auf dem Grundstück ein Artillerie-Depot an.

Während die Gartenanlagen zum Großteil der Bevölkerung offen standen, bewohnte das Wasserschlösschen ab 1839 die Gräfin Auguste Charlotte von Kielmannsegge (1777-1863). Diese war für ihre fanatische Napoleon-Verehrung bekannt und gestaltete ihr Wohnhaus als private "Gedenkstätte" für den französischen Herrscher mit zahlreichen Kunstwerken. Eine angebliche Liebesbeziehung zu Napoleon ist jedoch ebenso wenig verbürgt wie ihre Tätigkeit als Agentin während der Befreiungskriege. Allerdings stand sie bis zu Napoleons Tod mit diesem in Verbindung und besaß zahlreiche persönliche Gegenstände und Erinnerungsstücke aus dessen Besitz. Belegt ist auch ihre Unterstützung für die Witwe des 1848 hingerichteten Demokraten Robert Blum. Am 26. April 1863 verstarb die Gräfin in ihrem Haus im Reisewitz`schen Garten (Foto um 1890).

Nach 1860 wurden Teile des Areals durch neue Industrieunternehmen in Anspruch genommen. So entstand auf Löbtauer Flur eine Ziegelei, 1868 die Aktien-Bierbrauerei zu Reisewitz und 1897 die Schokoladenfabrik Petzold & Aulhorn. Das verbliebene Areal wurde bis zur Jahrhundertwende mit Wohnhäusern bebaut, so dass heute vom Garten keine Spuren mehr auffindbar sind. Das ehemalige Wasserschlösschen und die Falknerei waren bereits 1891 abgebrochen worden. Die Brauerei Reisewitz (Reisewitzer Straße 122) bestand noch bis 1930 und geriet erst durch die Weltwirtschaftskrise in Schwierigkeiten. Nach Einstellung des Braubetriebs dienten die Gebäude als Lager. Teile der historischen Anlage sind bis heute erhalten geblieben (Foto). Im Dezember 2002 wurde der Gebäudekomplex bei einem Brand beschädigt. Heute nutzen u.a. das Straßenbauamt und die Firma Plasticard ZFT das Areal.

 


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