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Der Waldfriedhof Weißer Hirsch wurde 1898 am Rande der Dresdner Heide angelegt, nachdem der Kurort am 1. April 1897 eine selbstständige Kirchgemeinde geworden war. Zuvor mussten die Verstorbenen auf dem Loschwitzer Friedhof beigesetzt werden. Für die Anlage erwarb die Gemeinde ca. 24.000 m² Waldfläche vom sächsischen Staatsforst. Die offizielle Einweihung erfolgte am 1. Juli 1898.
Da eine 1914 geplante Erweiterung des Friedhofs scheiterte, legte die Nachbargemeinde Loschwitz 1919 auf dem angrenzenden Grundstück einen zweiten Friedhof an, der bis 1931 durch ein Gitter vom Waldfriedhof getrennt war. Ursprünglich sollte hier sogar eine eigene Kirche für die Bewohner von Oberloschwitz errichtet werden. Nach Vereinigung der beiden Anlagen im Jahr 1933 wurde jedoch nur die kleine Friedhofskapelle vergrößert und umgebaut. Die ältesten Grabstätten befinden sich an den inneren Friedhofsmauern. Jüngeren Datums sind die terrassenförmigen Urnengrabfelder an der Südseite des Friedhofs.
Auf dem Waldfriedhof liegen einige prominente Bewohner des Weißen Hirschs begraben, darunter der Besitzer des Sanatoriums Dr. Heinrich Lahmann, der Gründer der ersten Säuglingsklinik der Welt Arthur Schloßmann (Foto rechts), der Wissenschaftler Manfred von Ardenne und der frühere Kreuzkantor Martin Flämig. Eine bemerkenswerte Grabplastik ziert das Mausoleum des Industriellen Johann Carl Müller (1867-1944) an der Nordseite des Friedhofs. Diese wurde von Johannes Schilling geschaffen und stand ursprünglich auf dem Grab einer Tochter des sächsischen Generals Alfred von Fabrice. Später schmückte sie die Grufthalle auf Müllers Grundstück an der Maillebahn in Hosterwitz und wurde 1930 zum Waldfriedhof ungesetzt.
Einzelne Gräber:
Familiengruft Lahmann: Die wohl künstlerisch und historisch bedeutsamste Grabstelle ist die 1905 für die Familie Lahmann errichtete Familiengruft. Hier liegt der im Alter von nur 45 Jahren verstorbene Arzt und Sanatorioumsbesitzer Heinrich Lahmann. Weitere Särge beherbergen die sterblichen Überreste seiner Frau Luise (+ 1910) und seiner Kinder Hans Heinrich (+ 1938) und Dora Lahmann (+ 1920) sowie weitere sechs Urnen, 2019 saniert. Zur Gestaltung der Gruft hatte es einen künstlerischen Wettbewerb gegeben, den der Architekt Rudolf Kolbe gewann. Die Ausführung übernahm der Bildhauer Friedrich Moritz Brodauf. Die Gruft besteht aus einem kleinen Granitbau an der Außenmauer des Friedhofes mit Bänken und Gedenktafeln im Innenraum. Über dem Portal befindet sich das Familienwappen der Lahmanns, ein Anker. Er erinnert an den Beruf der aus Bremen stammenden Vorfahren, die dort als Reepschläger (Ankerseilhersteller) tätig waren.
Gefallenendenkmal: Vor dem Friedhofseingang steht seit 1926 eine Gedenkstele in Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Bewohner des Kurortes. Das Denkmal wurde von Professor Friedrich Brodauf geschaffen und entkam 1946 dem geplanten Abriss, da es sich im Eigentum der Kirchgemeinde befand. Es besteht aus einer ca. zwei Meter hohen Granitsäule, die an den Seiten Bronzetafeln mit den Namen und Sterbedaten der 63 Gefallenen trägt. Eine weitere Gedenkstätte erinnert an einige Opfer der Bombennacht vom 13./14. Februar 1945.
Grabstelle Dr. Rudolf Friedrichs: 1947 fand der sozialdemokratische Politiker und Dresdner Ehrenbürger Dr. Rudolf Friedrichs auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch seine letzte Ruhestätte. Friedrichs war bereits bis zur Machtergreifung der Nazis 1933 in verschiedenen Funktionen politisch aktiv und wurde am 10. Mai 1945 erster Oberbürgermeister der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Dezember 1946 übernahm er das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten. Auf Betreiben der SED-Führung erfolgte 1980 die Umbettung der sterblichen Überreste Rudolf Friedrichs in den Ehrenhain des Heidefriedhofes. Der Grabstein auf dem Waldfriedhof wurde 1989 entfernt, blieb jedoch erhalten und wurde im September 2014 als Gedenkstein wieder am alten Standort aufgestellt.
Gräber bedeutender Persönlichkeiten:
Grabstätte |
Todesjahr |
Dr. Heinrich Lahmann, Gründer des Lahmann-Sanatoriums | 1905 |
Carl Ludwig Theodor Graff, Direktor der Kunstgewerbeschule, Grabplastik von Friedrich Hecht | 1906 |
Karl Oskar Unruh, Arzt und Geheimer Hofrat | 1907 |
Max Arnhold, Gründer des Bankhauses Arnhold | 1908
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Traugott Graf von Pfeil, sächs. Generalmajor | 1929
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Emil Bergmann, Gründer der Freitaler Bombastus-Werke | 1931 |
Dr. Arthur Schloßmann, Kinderarzt, Begründer der ersten Säuglingsklinik | 1932 |
Dr. Max Steinkühler, Besitzer von Steinkühlers Sanatorium | 1934/1970 |
Johann Carl Müller, Unternehmer (Inhaber der Zigarettenmaschinenfabrik “Universelle”) | 1944 |
Fred Voelkerling, Maler und Bildhauer | 1945 |
Rudolf Friedrichs, Oberbürgermeister und Ministerpräsident (1980 umgebettet) | 1947 |
Adolf Spamer, Professor für Volkskunde | 1953
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Josef Herrmann, Kammersänger | 1960 |
Prof. Werner Gruner, Rektor der Technischen Hochschule | 1960 |
Friedrich Wilhelm Neuffer, Bauingenieur, Professor an der TH | 1960 |
Ruth Glowa, Opernsängerin | 1971 |
Hans Löbel, Kammersänger | 1971 |
Hans Hendrik Wehding, Komponist (“Der goldene Pavillon”) | 1975 |
Elisa Stünzner, Kammersängerin, Mitglied der Staatsoper | 1975 |
Antonia Dietrich, Schauspielerin | 1975 |
Karl von Appen, Bühnenbildner und Manja von Appen-Behrens, Schauspielerin | 1981 / 2003 |
Arno Schellenberg, Opernsänger | 1983 |
Brünnhild Friedland, Opernsängerin | 1986 |
Manfred Streubel, Dichter | 1992 |
Walter Hartmann, Saxophonist, Mitglied der Dresdner Tanzsinfoniker | 1992 |
Manfred von Ardenne, Wissenschaftler, Gründer des Ardenne-Institutes | 1997 |
Helmut Köckeritz, Architekt | 1998 |
Martin Flämig, Kreuzkantor | 1998 |
Eva Ander, Pianistin | 2004 |
John H. Noble, Besitzer der Kamerawerke Niedersedlitz | 2007 |
Christiane Just, Malerin und Grafikerin | 2011 |
Rolf Hoppe, Schauspieler | 2018 |
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